Web 3 aus Sicht eines Deep-Tech Investors [2022]

Web 3 – Blockchains, DeFi, NFTs u.v.m – spaltet und erhitzt die Gemüter.

Stefan Fritzs letzter Beitrag zu Web 3 war jedoch sachlich und ausgeglichen.

Stefan ist Partner bei PRIMEPULSE mit Fokus auf Impact- und DeepTech-Investing.

Jonathan Gurirab Web 3
Stefan Fritz, Partner bei PRIMEPULSE

Obwohl mir sein Beitrag gefiel, hatte ich Fragen, die ich in einem LinkedIn-Kommentar verfasste.

Stefan fand die Fragen interessant, wir verabredeten uns für einen Call.

Im Call besprachen wir viele interessante Themen, hatten aber nicht die Möglichkeit, wirklich ins Detail zu gehen.

Deshalb ist dieser Austausch entstanden.

Viel Spaß beim Lesen!

Shortcuts

„Non Custodial“ Wallets

Jonathan Gurirab (JG): „Non Custodial“ Wallets, also digitale Portemonnaies, wie MetaMask und Phantom ermöglichen „underbanked“ bzw. „unbanked“ Personen und Kleinanlegern per Smartphone einen fast barrierefreien Zugang zum Kapitalmarkt inkl. Single Sign-On (SSO).

Vorteile:

  • (Kleine) Transaktionen in einem informellen Setting können schnell und kostengünstig abgewickelt werden.
  • Teure Transaktionen mit MoneyGram, Western Union und PayPal über Ländergrenzen hinweg können umgangen werden.
  • In Ländern mit Hyperinflation wie Venezuela oder Zimbabwe kann der Zugang zu Stablecoins wie USDC enorm hilfreich sein.
  • In Ländern, in denen Gruppen unterdrückt werden, bieten „non custodial“ Wallets mitunter die letzte Möglichkeit einer finanziellen Freiheit.
  • Zugang zu Finanzinstrumenten, die bisher nur für Institutionen und vermögenden Privatpersonen zugänglich waren (Stichwort: DeFi; Decentralised Finance).

 

Stefan Fritz (SF): Für underbanked und unbanked Personen sind Non Custodial Wallets gute Optionen, um:

  • Geld aus dem lokalen Geldsystem herauszuholen. Bei diesem Schritt können abhängig von den Summen sicherlich weitere Risiken entstehen. 
  • Geld in andere Länder und Geld-Regime zu transferieren.
  • Geld in Web-3-Systemen zu verwahren, auch wenn es sich selbst bei Stablecoins nicht um letztlich stabile Systeme handelt. Einsetzbar also nur in sehr unsicheren Finanzsystemen. 

NFTs & Smart Contracts

JG: NFTs basieren auf Smart Contracts und dienen nicht als Spielart, sondern dem P2P-Austausch (Ethos: „Permissionless“, „Non Custodial“, „Censorship Resistance“ und Transparenz) von Werten und Zugangsberechtigungen.

Dabei gilt es zu unterscheiden: Veblen NFTs und Utility NFTs. 

Veblen NFTs (CryptoPunks, BAYC, SMB und Degenerate Ape Academy) sind sogenannte „Profile Picture“ bzw. PFP NFTs und dienen dem „Flexen“ – der Zurschaustellung – da sie meistens relativ teuer sind. 

Bei Utility NFTs hingegen geht es weniger um die Kunst, sondern um die Details im Smart Contract. 

Die DeFi-Plattform Fabric beispielsweise veräußert FAB Punk NFTs, die ihren Besitzern über den Smart Contract eine kontinuierliche Umsatzbeteiligung einräumt. 

Interessant ist auch, dass das Infrastruktur-Startup GenesysGo („AWS für Web 3“) NFTs veräußert hat, anstatt Finanzierungsrunden abzuhalten. 

Der Infrastrukturanbieter stellt somit das herkömmliche Modell der Start-up-Finanzierung auf den Kopf.

SF: NFTs sind sicherlich ein sinnvoller und legitimer Versuch, um Creators, also vor allem Künstlern, ein Instrument zur Monetarisierung von raren virtuellen Gütern in die Hand zu geben.

Die hochpreisigen NFTs, die wir heute sehen sind wahrscheinlich mit Funny Money bezahlte Transaktionen, die vor allem diesen Markt sichtbar machen sollen, weil sie für massive Aufmerksamkeit sorgen.

Hier muss weiter experementiert werden, um einen echten langfristigen Nutzen für User zu ermöglichen.

Smart Contracts ermöglichen mehrschrittige Transaktionen zwischen verschiedenen Partnern, die bisher einer zentralen Vertrauensstelle bedurft haben.

Hier ist zu erwarten, dass wir in Zukunft immer mehr sinnvolle Anwendungsfälle sehen werden. 

Finanzielles Incentive

JG: Durch P2E-Spiele wie Axie Infinity, Airdrops (ENS, SOS und LooksRare), und die Demokratisierung von Finanzinstrumenten durch DeFi-Protokolle wie Mango, Zeta, 01, Friktion, Synthetify etc. profitieren bzw. verdienen Blockchain-Nutzer so hohe Beträge, dass die Dividenden von Web-2-Unternehmen (Microsoft, Amazon, Apple etc.) nur schwer mithalten können. 

Web-3-Protokolle arbeiten sehr effizient bzw. schlank, was weniger Overheads mit sich bringt und ihnen somit ermöglicht, ihren finanziellen Erfolg stärker mit ihren Nutzern zu teilen.

SF: Der Begriff P2E erklärt nicht das Funktionsprinzip, sondern die Hoffnung.

Solange genug neues Geld in die Spiele reinfließt (Startgebühr) und immer mehr Menschen mitspielen, wird der theoretische Geldbetrag immer höher für alle.

Aber es ist klar, dass nicht alle zum Ausgang laufen können.

Letztlich sind die meisten Spiele Ponzi-Schemes, weil die Neuankömmlinge die wenigen auszahlen, die zum Ausgang gehen.

Die dahinter liegenden DeFi-Protokolle sind technisch in der Lage, die Transaktionen zu bewerkstelligen.

Metaversum

JG: Beim Metaversum handelt es sich im Grunde um eine Zukunftsvision des Internets. 

Diese Vision ist immersiver und allumfassender, da sie auch Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) einbindet. 

So können Online-Erfahrungen u.a. realer aussehen und sich realer anfühlen – und möglicherweise einige Aktivitäten in der realen Welt ersetzen. 

Das ist sicherlich auch einer der Hauptgründe, warum Facebook nun „Meta“ heißt und warum der Wagniskapitalgeber Greylock mit anderen Partnern US$ 5 Millionen in Portals investiert.

Greylocks Portfolio-Firmen: Okta, Palo Alto Networks, Pure Storage, Docker, Red Hat, AirBnB, Coinbase, Discord, Facebook, Instagram und LinkedIn.

SF: Das Metaverse wird kommen.

Die Marktaussichten für Spiele, Konferenzen und virtuelle gemeinsame Freizeitaktivitäten sind gigantisch.

Auch ein Teil der Business-Welt werden wir auf kurz oder lang im Metaverse finden.

Investoren wie Greylock haben über 20 Jahre ein wahnsinniges Händchen für die richtigen Player gehabt und natürlich ist die Investition von Greylock in Portals eine Art Investment Ritterschlag.

Das Metaverse wird kommen. Die Marktaussichten für Spiele, Konferenzen und gemeinsame Freizeitaktivitäten sind gigantisch. Wer wird sich eine Scheibe davon abschneiden können?

Blockchain Security

JG: Hacker-Angriffe stellen nicht nur das Web 3, und im speziellen DeFi-Protokolle, vor enorme Herausforderungen. 

Auch Organisationen, die wir alle kennen, sehen sich täglich mit Ransomware und Cyberangriffen konfrontiert. 

Klar, im Web 3 geht es Stand heute ruppig zur Sache – hier eine Übersicht der spektakulärsten Hacker-Angriffe bisher. 

Was jedoch meistens nicht erwähnt wird, sind Bug-Bounty-Plattformen wie Immunefi, die Ethical Hacker über Nacht sogar zu Millionären machen können. 

Auch die DACH-Region spielt eine trage Rolle, wenn es um Blockchain Security geht. 

So machen die Münchner Firma Neodyme und Kudelski Security aus Lausanne die Web-3-Welt jeden Tag ein wenig sicherer.

SF: Wo so große Geldmengen bewegt werden, gibt es auch einen Markt für Sicherheit.

Bug Bounty gibt es seit vielen Jahren auch in der Web-2-Welt.

Sicher gut, dass es mit Immunefi jetzt auch eine Plattform im Web 3 gibt.

Ja, es ist gut, dass sich erste Security Anbieter auf das Web 3 spezialisieren.

Noch sind es kleine feine Beratungshäuser, die mit hohem Sachverstand Unternehmen helfen, sich in der Web-3-Welt besser zu bewegen.

Umweltschutz

JG: Die Bitcoin- und Ethereum-Blockchains verbrauchen durch ihren Konsensmechanismus (Proof of Work) Unmengen an Energie. 

Das ist nicht gut für die Umwelt.

Unter anderem ist die Ethereum-Blockchain gerade deshalb dabei, auf einen anderen Konsensmechanismus, nämlich Proof of Stake, umzurüsten. 

Die Solana-Blockchain hingegen arbeitet bereits heute sehr energieeffizient

Während eine Google Suche 1,080 Joule verbraucht, verbraucht eine einzige Solana-Transaktion lediglich 1,837 Joule. 

Zum Vergleich: Eine Bitcoin-Transaktion verbraucht 6,995,592,000 Joule und eine Ethereum-Transaktion 692,820,000 Joule.

SF: Ja, zentrale Systeme können bisher viel effizienter aufgebaut werden.

Es ist gut, dass der Energieverbrauch bei Web-3-Protokollen jetzt stärker in den Vordergrund rückt.

Ich habe darauf bereits vor mehr als 5 Jahren hingewiesen.

Ich bin mir sicher, dass dies ein lösbares Problem ist.

Natürlich bleibt dann noch die Frage, was wir mit den etablierten Blockchains (Bitcoin und Ethereum) in Zukunft machen.

Ein Umbau und eine Umstellung im laufenden Betrieb wird nicht möglich sein.

Damit zeigt das Thema Energie-Effizienz, dass auch Web-3-Technologien nicht zaubern können.

Wie in der realen Welt müssen über die Jahre maßgebliche technologische Anpassungen und Systemwechsel vorgenommen werden.

Diesen Aspekt werden wir auch im Auge behalten müssen. 

Deutschlands Chance

JG: Deutsche Hardware- und Software-Entwickler haben die Chance, im Web 3 echte Werte zu schaffen – egal ob mit NFTs, DeFi, Infrastruktur, Security oder dem Metaversum. 

Auch deutsche Deep-Tech Investoren haben die Möglichkeit, in Web-3-Startups zu investieren – in Deutschland und weltweit.

Einziges Manko: Sowohl deutsche Hardware- und Software-Entwickler, als auch deutsche Deep-Tech Investoren, trauen sich das Web 3 momentan noch nicht wirklich zu.

SF: Ja, es ist leider so, dass wir in Deutschland bei Web-3-Technologien in der Kette Kapital, Ökosysteme, Start-ups und Gründer einfach keine kritische Masse haben.

Allerdings gilt dies auch für andere Deep-Tech Felder wie Quantum und Space.

Selbst in Feldern, die direkt an unsere bisherige wohlstandsbringende Automotive Industrie ankoppeln, wie Wasserstoff und Batterien, lassen wir uns die Butter vom Brot nehmen.

Das liegt nicht nur, wie immer gesagt, am Kapital: Es beginnt in den Gründungsquoten an den Unis.

Um Deep-Tech Unternehmen zu starten braucht es nicht nur ein paar hippe BWLer in Berlin, die ein wenig mit E-Commerce experimentieren.

Für reale Deep-Tech Start-ups benötigt man viele, viele verrückte und engagierte Gründerteams, die nicht nur einen Bachelor, sondern meist einen Master oder einen PhD absolviert haben, damit sie in einem Spezialgebiet richtig gut werden konnten.

Genau dies sehen wir im Quantum Umfeld, wo US-Firmen Schlange stehen, um deutsche PhD Absolventen mit viel Geld aus den Instituten herauszulocken. 

Lieber Stefan, vielen Dank für deine Insights!

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Jonathan Gurirab
Jonathan Gurirab
IT-Verantwortliche haben den schwersten Job der Welt. Als Chief Change Officers sind sie nämlich maßgeblich an der digitalen Transformation in ihren Organisationen beteiligt. Trotzdem werden sie täglich von Bugs in ihren IT-Landschaften, Besprechungen oder Marketing-E-Mails aufgehalten, obwohl sie sich mit neuen IT-Lösungen auseinandersetzen müssten. Die Beschreibungen dieser Lösungen sind jedoch oft schwer verständlich, technisch überladen oder gehen im Marketing-Jargon unter. Das macht es für IT-Verantwortliche extrem schwierig, die Vorteile und Nutzen dieser Lösungen nachzuvollziehen. Genau deshalb habe ich TECH/EDGE etabliert. TECH/EDGE ist eine Plattform, über die komplexe Technologien ausführlich und vor allem verständlich präsentiert werden. Das ermöglicht Ihnen einen schnellen Überblick und versetzt Sie in die Lage, stets die richtige Lösung für Ihre Organisation zu finden und einzusetzen.
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